Dienstag, 8. Juli 2014

Die Vorgeschichte


Sprache und Stil des Romans



Alltagssprache:
Während des ganzen Romans sind die Sätze verkürzt. Dabei fällt meistens das Prädikat ganz weg und viele Sätze sind unvollständig (Ellipse). Dies geschieht oft durch Gedankenstriche. Dies ist oft der Fall, wenn Faber etwas nicht beurteilen kann oder will. Durch diesen „Tagebuchcharakter“ wird deutlich, dass der fiktive Schreiber Walter Faber sich eigentlich nur Notizen gemacht hat, die nicht für jeden bestimmt sind. Außerdem wird die gesprochene Sprache verwendet, um zu verdeutlichen, dass alles erklärbar und wie „üblich“ (S. 7) ist. Oft ist er auch „zynisch“ (S. 113), unbeeindruckt und respektlos. Ebenso verwendet er sehr oft Ausdrücke der Jugendsprache. Dadurch wird die Hauptfigur Walter Faber beschrieben, der zugleich der Erzähler des Berichtes ist. Es wird deutlich, dass die poetische Sprache verachtet wird und die Wahrnehmung der Wirklichkeit verzerrt ist. So gelang Max Frisch ein sprachliches Kunstwerk.

Internationalität der Sprache:

Der Bericht ist in Deutsch verfasst, aber Max Frisch verwendet auch noch die französische, spanische und vor allem die englische Sprache, z.B. schaut er Television“ (S. 64) oder nimmt einen „Drink“ (S.11). Aber auch Ivy redet immer nur in Englisch. Dies ist nachvollziehbar, da Walter Faber in New York lebt und auch bei seiner Arbeit viel englisch sprechen muss, da sie schon in den Fünfzigerjahren eine internationale Sprache war. Eine „Sprache“ ist ein wichtiges Medium der Selbsterkenntnis und da er sehr oft schwankt, wird wieder deutlich, dass ihm die Voraussetzungen der Selbstkenntnis fehlen.

Satzbau:

Besonders auffällig ist, dass der Bericht oft nur sehr flüchtig erzählt wird: Attribute werden nachträglich eingefügt, z.B. „Abende lang hockten sie in ihren weißen Strohhüten auf der Erde, reglos wie Pilze, zufrieden ohne Licht, still.“ (S. 38) Dadurch bekommt man den Eindruck, dass Walter einfach, ohne sich Gedanken über den folgenden Satz zu machen, mit dem Schreiben beginnt und sich im Anschluss nicht die Mühe macht, ihn zu verbessern. Gleichzeitig scheint es jedoch, als bemühe er sich um Präzision.

Dialoge:

Es kommen nur sehr wenige und kurze Dialoge vor. Oft werden dabei die Dialoge wegen Einschüben für irgendwelche Äußerungen unterbrochen oder teilweise in der indirekten Rede geschildert. Da er am liebsten allein lebt, kommt es zu wenigen Kommunikationen mit seinen Mitmenschen. Oft reden sein Gesprächspartner und er aneinander vorbei, da er sich den anderen gegenüber nicht öffnen kann und ihnen auch nicht mitteilt, worum es ihm geht. Aber es kommt auch vor, dass er das Gespräch sucht, aber es, z.B. wie von Hanna, verweigert wird. Der Grund hierfür ist, dass er für sie „stockblind“ (S. 144)

Exaktheit:

Da er alles genau mit Zeit- und Ortsangabe dokumentiert, ist es erstaunlich, dass er kaum näherbeschreibende Adjektive verwendet. Er will das Grundsätzliche herausarbeiten und verwendet deshalb nur Adjektive, um das Material durch Farbe, Form und Ausmaß eines Gegenstandes zu beschreiben oder gibt gleich den Firmen bzw. Markennamen oder das Modell, z.B. des Flugzeugs, an.

Verneinung:

Falls etwas für Walter zu gefährlich wird, dann verneint oder leugnet er diese Gedanken und Gefühle. Oft stellt er sich auch als Nicht-Wissender hin, um keine Erklärung für seine Merkwürdigkeiten zu brauchen.

Unpersönlichkeit:

Der Text wird normalerweise in der Ich-Form erzählt. Doch wenn es um den Gefühlsbereich und Probleme, die nicht verarbeitet werden können, geht, spricht er mit unpersönlichen Formen wie „man“ oder durch die Pluralform. Dies kommt besonders häufig vor, wenn er über Frauen redet.

Vergleiche:

Es kommen auch Vergleiche vor, da es ihm nicht gelingt den irrationalen Teil zu verdrängen. Sie sollen die irrationale Grundhaltung zum Ausdruck bringen. Manchmal gelingt es ihm auch, durch Verfremdung der Natur sie ins Technische zu ziehen.

Bildersprache:

Als er sich in Cuba befindet, ist er ganz entfernt von der technischen Sprache. Er verwendet poetische Vergleiche. Durch diesen neuen Stil merkt man, dass er sich verändert hat, indem er sich der Natur geöffnet hat und sich dem Leben zuwendet, obwohl er dem Tode schon nahe ist.

Quellen
Primärliteratur:  Homo Faber. Ein Bericht. Max Frisch. Suhrkamp Verlag, 1999, Eisenbeis, Manfred: „Max Frisch: Homo faber“, Lektürehilfen, Klett, Stuttgart 2006

Faber der moderne Ödipus?



Der Ödipusmythos nach der Tragödie 'König Ödipus' von Sophokles (429 v. Chr.):

Ödipus wird als Sohn der Iokaste und des Laios, des Königs von Theben, geboren, aber sofort ausgesetzt, da er - laut Orakel - den Vater töten und die Mutter heiraten wird. Er wird heimlich gerettet und dem Herrscherpaar in Korinth übergeben. Als junger Mann erfährt Ödipus vom Orakel seine schreckliche Bestimmung und kehrt nicht mehr nach Korinth zurück, um seinen Eltern Tod und Inzest zu ersparen. In der Nähe von Theben erschlägt er im Zorn einen unbekannten Mann (seinen Vater), löst das Rätsel der Sphinx (auf die Frage, welches Wesen als einziges seine Gestalt ändere und zuerst auf vier Beinen, dann auf zwei und zuletzt auf drei Beinen gehe, antwortet er dass es der Mensch sei) und erhält zur Belohnung dafür die Hand der thebanischen Königin Iokaste, deren Mann gerade von einem unbekannten erschlagen wurde. Als Jahre später in Theben die Pest ausbricht, erkennt Ödipus auf der Suche nach der Ursache für den Götterzorn die Wahrheit. Die Mutter-Gattin erhängt sich daraufhin; Ödipus sticht sich die Augen aus.

Parallelen
 In„Homo Faber“ wird die Tragödie des Ödipus kurz erwähnt. Hanna ist begeistert von Mythen und redet auch davon „Ödipus und die Sphinx, auf einer kaputten Vase dargestellt in kindlicher Weise“ (S. 154 Z. 3f.) ist Es wird zwar nicht weiter auf den Mythos eingegangen, jedoch lässt sich aus diesem kurzen Hinweis erkennen, dass Faber der Inzest beschäftigt und dass der Inzest ein Leben kaputt macht („[...] auf einer kaputten Vase [...]“)

Desweiteren ist der Ort, an dem herauskommt, dass Inzest begangen wurde, in beiden Lektüren Griechenland. Faber und Hanna schlafen zwar möglicherweise in Avignon miteinander (S. 135 Z. 23ff.„Jedenfalls war es das Mädchen, das in jener Nacht, nachdem wir bis zum Schlottern draußen gestanden hatten, in mein Zimmer kam -“), aber dass Sabeth wirklich seine Tochter ist, erfährt er erst in Griechenland von Hanna.
Eine weitere Gemeinsamkeit der Lektüren ist die Vorgeschichte der beiden Hauptcharaktere. Faber denkt, Hanna hätte das Kind abgetrieben. Demnach kann er gar nicht wissen, dass er eine Tochter hat, als er auf dem Schiff Sabeth kennen lernt. Ödipus wurde nie gesagt, dass Polybos und Periboia nicht seine leiblichen Eltern sind.

Zum Ende hin lässt sich noch eine offensichtliche Parallele erkennen. Nachdem Ödipus erkennt, dass er Inzest begangen und seinen Vater getötet hat, sticht er sich die Augen aus. Faber denkt im Zug nach Zürich ebenfalls darüber nach sich die Augen mit zwei Gabeln auszustechen (S. 209 Z. 6ff.). Das zeigt, dass Faber sich seine Schuld nun eingesteht, wie Ödipus es ebenfalls getan hatte. Beide bestrafen sich bzw. Faber will sich bestrafen (tut es aber nicht) dafür, dass sie ihr Leben lang so blind gewesen sind und nicht erkannt haben, dass sie sich in ihre Mutter/Tochter verliebt haben. Sowohl Ödipus, als auch Faber tun vor dem Inzest etwas Gutes für die Menschen. Ödipus rettete die Stadt Theben, indem er das Rätsel der Sphinx gelöst hatte und Faber hilft unterentwickelten Völkern mit Technik (S. 10 Z. 34). Im weiteren Verlauf ihrer Geschichte jedoch sind beide für einen Tod verantwortlich. Ödipus jedoch nur indirekt. Iokaste erhängt sich selbst, als sie erkennt, dass Ödipus ihr eigener Sohn ist. Sabeth hingegen stirbt an der Verletzung durch den Sturz. Sie stürzte jedoch nur die Böschung runter, weil sie vor Faber zurückschreckte, als er ihr zu Hilfe kommen wollte. Außerdem verschweigt Faber den Sturz Sabeth im Krankenhaus, sodass der Arzt die daraus entstandene Verletzung gar nicht behandeln kann. (S. 174 Z. 5f.)

Unterschiede
Der Unterschied zwischen den beiden Geschichten ist die Form des Inzests. Während bei „König Ödipus“ ein Mutter-Sohn-Inzest vorliegt, ist es bei „Homo Faber“ ein Vater-Tochter-Inzest - demnach das genaue Gegenteil. Außerdem hat Faber keinen Rivalen, den er versucht zu töten. Zwar ist er eifersüchtig auf den Pingpong-Spieler und den Baptisten auf dem Schiff (S. 83 Z. 18ff. „Dabei hat er gar nichts zu sagen, der Baptist, es geht ihm […] bloß darum, das Mädchen anfassen zu können, […] dazu sein Lächeln über mich.“), aber er sieht sie nicht als Rivalen an. Ödipus weiß nicht, dass Laios sein Rivale ist (also der Mann seiner Geliebten) als er ihn erschlägt. Ödipus bekennt sich sofort seiner Schuld und sticht sich die Augen aus. Faber hingegen versucht sein Leben irgendwie weiter zu leben (S. 187ff.). „Homo Faber“ ist ein Bericht aus der Sicht von Faber. Mit diesem Bericht versucht er sich für den Inzest und letztendlich auch für den Tod Sabeths zu rechtfertigen (S. 134 Z. 1ff „Was ist denn meine Schuld? Ich habe sie auf dem Schiff getroffen […], ein Mädchen mit baumelnden Roßschwanz vor mir.“). Das merkt man vor allem daran, dass er oft schreibt, dass er es nicht hätte ahnen können, dass Sabeth seine Tochter ist und hätte er es früher gewusst, wäre alles ganz anders geworden (S. 78 Z. 13ff.„[...] Wieso Fügung! Es hätte auch ganz anders kommen können“) Demnach ist Faber im Gegensatz zu Ödipus nicht in der Lage sich seine Schuld einzugestehen bzw. versucht er sich diese auszureden.
 Ödipus Blendung und Fabers kurzzeitiger Gedanke sich zu blenden haben etwas unterschiedliche Funktionen und Gründe. Ödipus blendet sich als Strafe dafür, dass er Inzest begangen hat. Außerdem schämt er sich vor seinen Kindern. Faber hingegen denkt nicht nur wegen dem Inzest an sich an die Blendung, sondern auch, weil er sich selbst nicht mehr sieht und erkennt. Bevor er Sabeth kennen gelernt hat, war er ein verlässlicher Arbeitnehmer. Danach hat er sich Urlaub genommen und das Leben genossen wie es war. Anders als Ödipus sehnt Faber sich nach Sabeths Tod immer noch nach ihr (S. 209 Z. 1ff„Ich habe nichts mehr zu sehen. Ihre zwei Hände, die es nirgends mehr gibt, ihre Bewegung, wenn sie das Haar in den Nacken wirft oder sich kämmt, ihre Zähne, ihre Lippen, ihre Augen, die es nirgends mehr gibt, ihre Stirn: wo soll ich sie suchen?“).Das weist darauf hin, dass Faber sich mit dem Gedanken nicht abfinden kann, dass Sabeth seine Tochter ist. Zwar möchte er Hanna heiraten, um eine richtige Familie zu werden, die Gefühle zu Sabeth als seine Geliebte kann er dennoch nicht ganz unterdrücken.
 
König Ödipus“ und „Homo Faber“ ähneln sich in manchen Aspekten des Inzests. Jedoch sind grundlegende Unterschiede vorhanden, die deutlich machen, dass in „Homo Faber“ Gefühle und das Leben der Menschen mehr im Mittelpunkt stehen, als bei „König Ödipus“. Iokaste und Ödipus sehen keinen Sinn mehr in ihrem Leben, aber Faber und Hanna versuchen so gut es geht weiter zu leben, auch wenn Faber am Ende höchstwahrscheinlich stirbt.

Quellen
Primärliteratur:Homo Faber. Ein Bericht. Max Frisch. Suhrkamp Verlag, 1999,
Internetquellen:
www.ödipus-dasbuch.de